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In China wird die Vergabe des Friedensnobelpreises an Liu Xiaobo totgeschwiegen. Der in Schanghai lebende Autor Marcus Hernig macht im FOCUS-Online-Interview wenig Hoffnung auf eine Demokratisierungwelle. Dafür sieht er keinerlei Basis.

FOCUS Online: Ist nach China vorgedrungen, dass Liu Xiaobo den Friedensnobelpreis bekommen hat? Marcus Hernig: Grundsätzlich ist im Netz und in den Medien nur wenig zu finden. In den offiziellen Medien herrscht ohnehin großes Schweigen. Die Menschen, die davon erfahren, bekommen es über westliche Medien mit – wie ich auch. Für das einfache Volk sind Bürgerrechtler wie Liu Xiaobo sehr weit weg. Sie kennen ihn nicht. Es stimmt definitiv nicht, dass Liu der Exponent einer riesigen Demokratiewelle in China wäre, wie es der Präsident des Nobel-Komitees Thorbjoern Jaglund darstellte. Die gibt es nicht. FOCUS Online: Aber ist es nicht ein Zeichen, dass sich über 300 chinesische Intellektuelle öffentlich für seine Ehrung eingesetzt haben? Hernig: Wie bekannt sind Intellektuelle heute noch in China? In den 80er-Jahren hatten sie eine starke Stimme, das hatte ja auch zu den Ereignissen des 4. Juni 1989 (blutiges Ende der Studentenproteste in Peking, Anm.d.Red.) geführt. Aber ob sie die Menschen heute noch erreichen, steht auf einem anderen Blatt. Sicher gibt es Bekanntheiten wie den Künstler Ai Weiwei, der sich gegen Menschenrechtsverletzungen einsetzt. Aber die Plattform für Dissidenten läuft übers Ausland. Es fehlt die Verbindung zum Volk, gerade auch zu den Jüngeren. FOCUS Online: Wie kommt das? Hernig: Die Gesellschaft hat sich stark verändert. Die Regierung hat demokratische Kräfte damals kaltgestellt, indem sie der Gesellschaft die wirtschaftliche Entwicklung mitgegeben hat. Als ich 1992 nach China gegangen bin, habe ich deutlich gemerkt, wie sich die politische Aufbruchsstimmung in eine Aufbruchsstimmung des Konsums wandelte. Bei den meisten herrscht die Einstellung: An der großen Politik können wir ohnehin nichts ändern. Lieber schauen wir im privaten Bereich, dass es gut läuft. Und viele meinen, dass es nicht schlecht läuft.

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Es wird keine Demokratiewelle geben“

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